Kolbrücks Kracher: Warum der Siegeszug lokale...
Kolbrücks Kracher

Warum der Siegeszug lokaler Produkte gerade erst anfängt

IMAGO / alimdi
Belgisches Bier in einem Markt. Längst sind lokale Produkte über klassische Kategorien hinausgewachsen.
Belgisches Bier in einem Markt. Längst sind lokale Produkte über klassische Kategorien hinausgewachsen.

Wer Händler in sozialen Medien folgt, stellt fest, dass sie auf manche Produkte im Sortiment besonders stolz sind. Es sind lokale Produkte. Mit gutem Grund. Deren Siegeszug fängt gerade erst an.

„Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer ist die Schönste im ganzen Land?“,
fragt die Königin im Märchen Schneewittchen.
Der Spiegel antwortet:
„Frau Königin, Ihr seid die Schönste hier,
aber Schneewittchen ist tausendmal schöner als Ihr.“

Ein bisschen mag sich so - Sorry Nestle, Unilever, Procter &Gamble und Co - der (Schönheits-)Wettbewerb zwischen etablierten globalen und nationalen Markenherstellere sowie Produkten vom Anbieter „um die Ecke“ anfühlen.

Händler und Handelsketten arbeiten ja nicht ohne Grund zunehmend mit lokalen und regionalen Produkten und Herstellern. Auch wenn der Begriff der „Region“ dabei zuweilen recht großzügig mit der Geographie umgeht. Manch ein Discounter vertreibt Regionalmarken sogar bundesweit.

Weniger Probleme mit Lieferketten

Gerade während der Pandemie haben lokale Produkte Punkte machen können.
Sie sind oftmals weniger abhängig von den Problemen der globalen Lieferketten und passen in die allgemeine Anti-Globalisierungsstimmung.  Zudem haben sie – ob zu Recht oder nicht – bei Kunden oft das Image gesünder, nachhaltiger und irgendwie besser für das eigene Gewissen zu sein. Und das „Gefühlige“ wird ja zu einem immer wichtigeren Aspekt der Kaufentscheidung.

Gefühlte Wertigkeit

Lokale Produkte beschränken sich dabei längst nicht mehr auf die Kartoffeln vom Landwirt nebenan. Lokale Kafferröstereien, Gin-Destillerien, Saft oder allerlei Nudeln ergänzen inzwischen beispielsweise das Bild.
Ihre Gemeinsamkeit: Lokale und regionale Produkte vermitteln dem Kunden Sicherheit und Vertrauen. Könnte er Herkunft, Herstellung und Produktion doch quasi im Vorbeispazieren nachvollziehen, wenn es auf dem Sofa nicht gerade so bequem wäre.
Einigen Händlern gelingt es aber durchaus, ihre Kunden von der Couch zu locken und Informationstouren zu Erzeugern zu veranstalten. Das sind nützliche Aktionen.

Lokale Produkte sind längst kein neuer Trend mehr, aber sie gewinnen mit den sich verändernden Kundenbedürfnissen weiter an Fahrt und werden zudem zum Ausdruck des eigenen Lifestyle. Sie sind das „Globalisierung? Nein, Danke“-Statement im Einkaufswagen. Oder auch das Hygge-Gefühl, das Gemütliche, dass durch Leib und Magen geht.

Händler profitieren ihrerseits davon, wenn sie sich mit lokalen Waren und entsprechend ausgerichteter Werbung vom Mitbewerber erfolgreich differenzieren.
Das funktioniert umso besser, wenn das Produkt nicht mit einem eher anonymen Heimat-Etikett daherkommt, sondern eine personifizierbare Geschichte von den Machern und Gründern mitbringt. Kunden lieben Heldengeschichten. Die klugen Händler holen sich daher nicht nur die Ware, sondern für eine Promotion gleich auch die Macher in den Markt.
Das steigert zusätzlich das Vertrauen, hier im Markt ökologischere, frischere oder gesündere Lebensmittel zu bekommen. Obwohl längst nicht jedes regionale Produkt diesem Anspruch gerecht werden kann.

Aufmerksamkeit erzeugen

Ohnehin bleibt der Erfolg eine kniffelige Angelegenheit.
Je nach Produktverfügbarkeit und Verbraucherinteresse kann ein Renner in einem Markt ein paar Autominuten weiter ein Penner werden. Unterschiedliche Kunden verhalten sich bekanntlich an unterschiedlichen Orten unterschiedlich.
Die Sichtbarkeit im Regal ist je nach Kategorie problematisch und verlangt einige begleitende Maßnahmen. Hinzu kommt: Gerade junge lokale Marken können sich eine „Regalmiete“ kaum leisten. Da ist also auch Überzeugung bei den Kaufleuten gefragt. Womöglich muss man zudem unterschiedliche Platzierungen testen.
Und die Kaufleute benötigen Zeit für Promotions. Denn gerade junge regionale Marken müssen erst einmal die Aufmerksamkeit der Kunden wecken. In der Regel weiß ja kaum ein Kunde, dass ein paar Straßen oder Orte weiter eine Nudel-Manufaktur oder ein Obstbauer sitzt – manch einer weiß ja nicht einmal, was auf dem Acker wächst, an dem er jeden Tag mit dem Auto auf dem Weg zur Arbeit vorbeifährt.

Weniger Preiswettbewerb

Die Mühe hat aber neben der Differenzierung einen weiteren gewaltigen Vorteil.
Während der Kunde in der Regel genau weiß, was ein Glas Nutella oder ein Pfund Krönung kosten darf, fehlt ihm bei lokalen Produkten der klare Preisvergleich. Das macht bei der Preisgestaltung flexibler. Zumal Kunden lokale Produkte eher mit Spezialitäten gleichsetzen und (zumindest für das Gemüt) als werthaltiger empfinden. Das macht sich bei der Marge bemerkbar.
Aber man muss ja nicht nur ans Geld denken. Kleinen und lokalen Marken zum Erfolg zu verhelfen, kann auch dem Händler ein gutes Gefühl verschaffen. Das große Geld verdient man ja womöglich weiter mit den globalen Marken. Danke, Nestle, Unilever, Procter&Gamble und Co.

Kolbrücks Kracher gibt es jeden Donnerstag auf LZdirekt.de.

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