//

Warum schonungslose Kundenorientierung Pflicht ist

Kolbrücks Kracher

IMAGO / Westend61

Wer gerade in diesen Zeiten mehr Kundennähe und Einkaufserlebnis bieten will, sollte nicht nur auf den Wettbewerber schauen, sondern auch auf andere Branchen. Das hat Gründe. Und Ideen für den LEH liefern diese auch.

Wandel ist gerade überall. Da sind Richtungsweiser und Leuchttürme nötig. Meist schaut man dann in der eigenen Branche, bei Wettbewerbern nach Ideen. Dabei sollte man viel weiter über den Tellerrand schauen und in fremden Branchen nach inspirierenden Anregungen für mehr Kundenorientierung suchen.
Ein Muss: Denn die dortigen Erlebnisse übertragen Kunden eigenartigerweise zuweilen als Erwartung auf das eigene Unternehmen. Womöglich muss man sich also an den dort gesetzten Standards orientieren.

Der Grund ist simpel: Kunden vergleichen gerne Äpfel mit Birnen, vergleichen nicht einfach nur das Einkaufserlebnis zwischen Rewe und Edeka, zwischen Aldi und Lidl. Kunden vergleichen unbewusst und unfairerweise beispielsweise auch die Servicebereitschaft in einem Apple-Store mit der Shopping-Erfahrung an der Fleischtheke. Und wenn Kunden dann andernorts feststellen, dass man sich an manchen Stellen weniger Gedanken darüber macht, wie man jeden Euro für sich selbst maximieren kann, sondern viel mehr für den Kunden tut, dann sorgt das schnell für Unzufriedenheit.

Ein aktuelles Beispiel: Beim trudelnden Unterhaltungsriesen Disney kehrte Ende des Jahres der frühere Chef Bob Iger an die Konzernspitze zurück. Er soll das Medienunternehmen (Streaming, Filme wie Marvel und Star Wars, Freizeitparks) wieder flott machen.
Disney-Boss Bob Iger.
Disney-Boss Bob Iger.
IMAGO / Everett Collection
Eine der ersten Amtshandlungen: Er strich die 8 Dollar, die in sonst im Disneyland in Anaheim verlangt wurden, wenn Kunden ein Foto von sich auf der Achterbahn haben wollten. Das Andenken gibt es nun kostenlos.

Eine Kleinigkeit. Peanuts vielleicht. Aber ein Signal, dass der Kundenfokus wieder mehr im Mittelpunkt steht.

Nun ist ein Supermarkt trotz allem Einkaufserlebnis kein Freizeitpark und die wenigsten Kunden legen Wert auf ein Erinnerungsfoto vom Wochenendeinkauf, aber es zeigt, dass man sich um die kleinen Dinge kümmern muss. Die summieren sich nämlich. Und so lohnt es sich darüber nachzudenken, wo und wie man im eigenen Markt Hürden für den Kunden abbauen kann. Machen die Einkaufswagen-Chips noch Sinn? Ist ein Leergutautomat genug? Sind immer genug Kassen besetzt? Welche Services kann man zusätzlich bieten?
Austausch mit dem Kunden
Wann kommt der neue Eistee? Und ab wann habt ihr die Spekulatius-Schoki? Immer wieder fragen Shopper nach neuen Produkten. Wie am besten damit umgehen? Rewe Knichel bietet seinen Kunden gleich mehrere Möglichkeiten.
  1. Mund-zu-Mund: Direkte mündliche Anfragen von Walk-in-Kunden werden notiert und innerhalb von ein bis zwei Tagen mit entsprechender Info beantwortet.
  2. Wünsch‘ dir was: Ein Flip-Chart steht im Eingangsbereich für Wünsche bereit. Kunden schreiben auf die linke Seite ihre Frage, die Marktmitarbeiter auf die rechte wann und wo die Produkte zu finden sind. Das funktioniert richtig gut. Die Kunden prüfen dann regelmäßig, ob es schon eine Antwort gibt. Damit kommt der Kunde auch garantiert wieder. 
  3. Öffentliche Facebook-Gruppe: Hier findet bei Rewe Knichel ein reger Austausch statt. Neue Produkte werden vorgestellt und jede Menge Anfragen trudeln herein. Für beide Seiten bringt das Vorteile. Kunden fragen von der Couch aus nach, die Marktmitarbeiter antworten in Ruhe. Und gewinnen etwas Zeit.
Derartige Kundenorientierung verlangt ein wenig Selbstlosigkeit und knallharte Ehrlichkeit dem eigenen Geschäft gegenüber.  
Die Pizzakette Domino`s ist so ein Beispiel. Sie stand Ende der 2000er Jahre nahezu am Rand des Untergangs. Das Image war im Keller. Die Kunden beschwerten sich, dass das Produkt "billig" sei und wie "Pappe" schmecke.
Mehr Beratung wagen
Lebensmittelunverträglichkeiten und Allergien bereiten Kunden oftmals Probleme beim Einkaufen. Geschulte Mitarbeiter helfen durch den Dschungel an Lebensmitteln. Daher setzten Märkte auf Ernährungsberatung auf der Fläche.

Domino`s stellte damals alles auf den Kopf: Rezept, Zutaten, Kundenansprache, Vertrieb, Digitalisierung, drehte an vielen kleine Stellschrauben und verschrieb sich eine kompromisslose Kundenorientierung. Um zu zeigen, dass man es erst meint, startete die Pizzakette die vielleicht schonungsloseste Werbekampagne der Geschichte. Der Werbespot zeigte etliche negative Kundenaussagen, Mitarbeiter lasen vernichtende Kritik selbst laut vor.

Domino's Pizza Turnaround

"Man kann sich entweder von negativen Kommentaren unterkriegen lassen oder sie als Ansporn nutzen, um eine bessere Pizza zu machen", hieß es dazu in der Werbung. "Wir haben uns für Letzteres entschieden."

Schon wenige Jahre später war die Kette wieder in der Erfolgsspur – dank umfassender Kundenorientierung in allen Bereichen.
Nicht verpassen!
Ideen, Trends, Tipps und Anekdoten gibt es täglich auf Instagram und Facebook. Bleiben Sie über die aktuellen Entwicklungen am POS auf dem Laufenden und abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter.
Gewusst? LZdirekt hat bei TikTok schon rund 2000 Follower.
Ich wette, das können Sie auch. Vielleicht besser. Sicher aber früher. Was Disney und Domino`s nämlich gemeinsam haben: Sie reagierten erst unter hohem Leidensdruck. Das macht den Wandel ungleich schwerer. Leichter hat es der, der agiert, so lange es eigentlich noch prima läuft. Wie heißt es so schön: Der Luxus von heute, ist der Standard von morgen.

Kolbrücks Kracher gibt es exklusiv jeden Donnerstag auf LZdirekt.de.

stats