Kolbrücks Kracher: Zerstört die Markt-Idylle
Kolbrücks Kracher

Zerstört die Markt-Idylle

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Supermärkte scheinen zuweilen einer Modellbahn-Idylle zu entstammen. Dabei verändert sich die Welt drum herum gerade fundamental. Was tun?

Von Faller gibt es einen hübschen Supermarkt-Bausatz. Man kann ihn in seine Modelleisenbahn-Landschaft stellen und dann zuschauen, wie die Züge vorbeifahren. Oder man kauft sich ein paar Kunden dazu.
Wie schön ist das denn, bitte?
Die Modelle sind recht lebensnah. Es gibt beispielsweise einen modernen Flachbau mit breiter Glasfront. Auch ein eher ländlicher Edeka mit KrüppelwalmdachModell Feneberg – ist zu haben.
Supermarkt-Modell von Faller: Sogar die passenden Kunden kann man sich dazu kaufen.
Faller
Supermarkt-Modell von Faller: Sogar die passenden Kunden kann man sich dazu kaufen.

In ihnen ist eine Zeit eingefroren, in der es noch keine expansiven Lieferdienste gab, keine neuen Allianzen im Online-Lebensmittelhandel, keine Handelsmarke für Frischwaren von Amazon, keine sich rasant wandelnden Sortimente.
Auch da wird, natürlich, manches anderes. Es gibt nicht nur mehr Bio, Nachhaltigkeit. Es gibt auch immer mehr Start-up-Produkte, Regionales, Nischen. Es gibt mehr Cannabis-Kekse und Insekten-Snacks und mehr hippe Kurzzeit-Schlager von allerlei Rappern. Dafür aber vielleicht eines Tages kaum noch Allerweltsprodukte wie Fischstäbchen.

Die Welt im Maßstab 1:160 ist noch Supermarkt-Idylle

Während also im Edeka-Markt Friedrichsen (Faller 232205) im Maßstab 1:160 die Welt noch in Ordnung ist, ist in der Welt mit dem Maßstab 1:1 "Disruption" Alltag. Wie das eben Experten nennen, wenn sie niemanden mit dem Wort "Zerstörung" erschrecken wollen.

Aber vielleicht muss man sich selbst zerstören. Bevor es andere tun.
Eine Modellbahn-Landschaft baut man ja auch hin und wieder um.

Möglichkeiten gibt es ja genug.

Experimente für die eigene kreative Zerstörung

Ein paar Beispiele:
  • Zu Wochenbeginn ist die Wurst- und Fleischtheke je oftmals mehr Mobiliar als Verkaufsfläche. Warum nicht am Montag und Dienstag hier mal nur Gemüse anbieten? Die Überraschung wäre sicher groß. Oder Sie räumen Leberwurst und Schnitzel komplett aus und versuchen es mit Mahlzeiten-to-Go. Das Mehr an Sichtbarkeit könnte hilfreich sein. Denn unterschiedliche Studien legen den Schluss nahe, dass vielen Kunden immer noch das Bewusstsein fehlt, dass Lebensmittelgeschäfte gute Mahlzeiten anbieten.
  • Ohnehin muss man zuweilen mit Überraschungen arbeiten. Auch sich selbst gegenüber. Entfernen Sie doch mal für einen Tag alle Handelsmarken aus den Regalen. Beraten Sie die Kunden und verweisen Sie auf die Alternativen – und schauen was passiert. Ob das funktioniert? Unklar. Aber Knappheit ist bekanntlich einer der stärksten Kauf-Trigger.
  • Drehen Sie doch mal alle Pegel runter. Die Reizüberflutung mit Licht, Musik und Scanner-Piepsen ist nicht nur für empfindliche Kunden unangenehm und sogar störend. Und das ist schlecht fürs Geschäft.
  • Kunden wollen mehr denn je viele Nährstoffe, Vitamine, Mineralien und Proteine, wenig leere Kalorien, wie Zucker. Sie wollen fitter werden. Sie verkaufen die Waren dazu. Aber warum nicht auch das Wissen? Wie wäre es mit einem Ernährungsberater an festen Tagen? Oder mit einem regelmäßigen Sport-Programm im oder vor dem Markt in Kooperation mit dem lokalen Fitness-Studio? Statt nur eines Protein-Riegels „verkaufen“ Sie so ein mehr an Fitness und haben zufriedenere Kunden.
  • Denken Sie die Kategorien neu. Dirtea von Shirin David steht in der Regel bei den Eistees im Regal. Da gehört es hin. Klar. Gelernt. Aber womöglich wäre stattdessen eine Sonderplatzierung mit all den Promi-Marken aus Instagram und Co verkaufsfördernder? Wie fänden es Kunden, alle Influencer-Sortimente in einem Regal zu finden? Kunden über 50, die keine Ahnung haben, was sie ihrem Kind oder Enkel da wieder mitbringen sollen, werden es Ihnen danken.

Letztlich ist das alles nicht einmal zerstörerisch, sondern ureigenste Aufgabe des Händlers: Sortimente kuratieren und pflegen. Produktgruppen schaffen und bündeln. Orientierung schaffen, die dem Kunden einen Mehrwert bieten und das Vertrauen in das Gesamtsortiment erhöht.

Man muss dafür mitunter lediglich das übliche Modell-Gleis verlassen.
Wie fängt man damit an? Wie entwickelt man Ideen und Pläne? Ich bin nicht ganz sicher.
Aber besser als ein vorgestanzter Modellbaukasten wäre vielleicht ein Schuhkarton. Damit kann man ja mal beginnen. Noch mehr Ideen, Trends, Tipps und Anekdoten gibt es täglich auf Instagram und Facebook. Bleiben Sie über die aktuellen Entwicklungen am POS auf dem Laufenden und abonnieren Sie unseren kostenlosen Newsletter.
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