Gastbeitrag: Vorsicht Kamera! Was tun, wenn d...
Gastbeitrag

Vorsicht Kamera! Was tun, wenn der TV-Sender anruft?

TORWAISTUDIO/shutterstock

Lebensmittelhersteller und Händler reagieren bei TV-Anfragen instinktiv abwehrend. Zu Recht? Kommunikationsexperte Christian Wolfram von der Unternehmensberatung Engel & Zimmermann klärt auf.

„Wir produzieren gerade einen Beitrag für unser Verbrauchermagazin und würden gerne in Ihrer Produktion filmen. Wann steht Ihr Geschäftsführer nächste Woche für ein Interview vor der Kamera zur Verfügung?“ Anfragen wie diese erreichen uns jede Woche. Und die meisten Lebensmittelhersteller und Händler reagieren instinktiv abwehrend. Zu Recht? 
Beiträge über den Handel sind besonders häufig kritisch.

In diesem Beitrag möchte ich dem Für und Wider einer Beteiligung an solchen Beiträgen nachgehen.

Welche Chancen liegen in einer Erwähnung?

Oder überwiegen die Risiken?

Berichte über die Lebensmittelindustrie: Kritische Tonalität nicht ausgeschlossen

Zunächst einmal: Die Lebensmittelbranche ist seit Jahren ein sehr beliebtes Thema für die deutschen TV-Formate. Das hat einmal mehr die Auswertung bestätigt, die wir jährlich zur Berichterstattung über die Foodbranche im Fernsehen erstellen.

Mehr als 800 Beiträge über Industrie, Landwirtschaft oder Handel haben wir im Jahr 2021 gezählt – das sind im Schnitt 15 pro Woche!
Das Alarmierende für die Branche: Fast die Hälfte davon hatte eine kritische Tonalität.
Beispiele gefällig?
Über den Autor
Christian Wolfram berät seit 15 Jahren Unternehmen aus der Lebensmittelbranche in allen Fragen der internen und externen Kommunikation. Der frühere Journalist gehört bei Engel & Zimmermann dem Leitungsteam der Unit Food an. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten zählen hier die Beratung im Krisenfall ebenso wie die strategische Beratung bei der Unternehmenskommunikation. Besonderes Augenmerk liegt auf der Ansprache der unterschiedlichen Zielgruppen wie dem Handel, Verbrauchern, NGOs, der Politik und Medien.
wolfram
EngelundZimmermann
Als inhabergeführte Unternehmensberatung für Kommunikation berät und betreut Engel & Zimmermann dauerhaft rund 60 Kunden. Ein Schwerpunkt liegt auf der Beratung von Unternehmen aus der Lebensmittelbranche.
„Mogelpackungen im Einkaufswagen – Das 1×1 der versteckten Preiserhöhung“ oder „Krebsgefahr durch Titanidoxid?“ sind nur zwei von über 350 Sendungen, bei denen bereits der Titel oder die Ankündigung des Senders auf eine kritische Auseinandersetzung schließen ließen.
Beiträge über den Handel stechen noch einmal hervor: Sie sind besonders häufig kritisch.

Medien sehen sich oft dem Vorwurf ausgesetzt, sie würden mit einer vorgefertigten Meinung in die Recherche gehen – eine Meinung, bei der Industrie und Handel nicht besonders gut wegkommen.

Das wundert nicht: Viele große und kleine Skandale haben in den vergangenen Jahren dazu beigetragen, dass die Lebensmittelbranche unter einer kritischen Beobachtung steht. Mit kaum einem Konsumprodukt kommen wir derart nah in Kontakt wie mit dem Essen, das wir zu uns nehmen.

Da überrascht es nicht, dass wir Deutschen beim Lebensmitteleinkauf immer mehr und genauer auf die Qualität achten, immer besser informiert, kritischer und auch sensibler sind und dass es eine ganze Reihe von Verbraucherschützern und NGOs gibt, die sich als Fürsprecher der Verbraucher sehen. Lebensmittel sind eben ein hoch emotionales Thema. All dies bedienen die Verbraucherformate und Dokumentationen im Fernsehen.

Obacht bei den Dritten

Nun wäre es natürlich falsch zu behaupten, dass im Fernsehen ausschließlich negativ über unsere Branche berichtet wird. Wir haben schon viele positive Geschichten mit unseren Kunden realisiert, und genau hier liegen die Chancen.
Erwarten Sie keinen positiven Beitrag, wenn man Sie zu einem kritischen Thema befragt!
Als Massenmedium eignet sich das Fernsehen nach wie vor, um eine große Zahl potenzieller Kunden zu erreichen. Einige Tendenzen sind aber nicht zu übersehen. So sind es traditionell die Verbraucher- und Serviceformate der dritten Programme, die hart mit der Foodbranche ins Gericht gehen. Wer einmal mit Markt (NDR/WDR), SUPER.MARKT (rbb) oder m€x (HR) zu tun hatte, weiß, was ich meine.

Von daher sind Anfragen für diese Formate grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen – es sei denn, Sie betreiben eine kleine Manufaktur, einen Tante-Emma-Laden oder einen verträumten Bio-Hof in den Bergen. Dann nehmen Sie möglicherweise die Rolle des Positivbeispiels in einem Schwarz-Weiß-Bild ein, das im Beitrag gezeichnet wird. Wenn Sie jedoch „die Lebensmittelindustrie“ vertreten, stehen die Karten für eine positive oder nur ausgewogene Berichterstattung eher schlecht.

Was tun bei Anfragen?

Wie geht man nun mit einer Anfrage eines solchen Formats um? Das lässt sich so allgemein nicht beantworten und muss von Fall zu Fall entschieden werden. Mit etwas Routine kann man aus Anfragen ablesen, ob sie sich ausschließlich aufs eigene Unternehmen konzentrieren oder ob auch andere Unternehmen angefragt wurden.

Das sollte in die Entscheidung ebenso einfließen wie der mögliche Reputationsschaden einer negativen Berichterstattung. Daher lastet auf Markenartiklern in der Regel ein höherer Druck, sich auch zu kritischen Themen zu äußern, als auf B2B-Herstellern. Diese wiederum sehen sich häufig dem Druck des Handels ausgesetzt, der Anfragen zu Eigenmarken an seine Lieferanten weiterleitet und eine Stellungnahme erwartet.

Ich würde immer raten, Positives zu kommunizieren, statt falsche Behauptungen unwidersprochen für sich stehen zu lassen.
Wenn beispielweise der Zusatzstoff, wegen dem die Redaktion bei Ihnen anfragt, gar nicht im Produkt verwendet wird, sollten Sie das auch mitteilen. Es kann aber in manchen Situationen auch richtig sein, eine Stellungnahme zu verweigern, denn: Es ist ein Trugschluss zu glauben, dass eine umfangreiche, ausschweifende Antwort etwas Positives bewirkt und der Journalist dann schon einsehen wird, dass an seiner Information nichts dran ist.
Erwarten Sie keinen positiven Beitrag, wenn man Sie zu einem kritischen Thema befragt!
Und letztlich ebenfalls von Fall zu Fall abzuwägen ist die Frage, ob eine Antwort schriftlich oder vor der Kamera gegeben wird. Selbst bei einer positiven Geschichte ist Übung in Form von Medientrainings nötig, um vor laufender Kamera ein gutes Bild abzugeben. Die ersten Erfahrungen vor der Kamera ausgerechnet in einer kritischen Situation zu erproben, ist eine schlechte Idee, vor der wir dringend abraten!

Da greifen wir mit unseren Kunden eher auf das schriftliche Statement zurück – auch wenn es den TV-Redaktionen nicht gefällt.
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