Der Lebensmittel-Onlinehandel boomt. Wie können Marktleiter im stationären Handel diesem Trend begegnen? Die Datenexpertin Dr. Annette Klett-Steinbauer von der Managementberatung thaltegos erklärt in einem Gastbeitrag, wie Datenintelligenz dabei hilft, Kunden ans Ladengeschäft zu binden.
Lieferdienste wie Gorillas, Newcomer wie Picnic oder traditionelle Supermarktketten wie Rewe bauen ihre Onlineangebote aus und bedienen damit den verstärkten Wunsch nach Bequemlichkeit. Denn die Pandemie hat das gewohnte Einkaufsverhalten verändert und neue Bedürfnisse geweckt.
Selbstständige Einzelhändler und Filialleiter sollten diesem Trend etwas entgegensetzen, sich mit den neuen Konsumbedürfnissen beschäftigen und diese auch für sich nutzen.
Allerdings helfen ihnen dabei Umfragen, Erfahrungswerte und Daten aus früheren Zeiten nicht weiter. Der Schlüssel, um aktuelle Kundenwünsche und die damit verbundenen Potenziale zu erkennen, heißt
Location Intelligence: Aufbauend auf einem tiefen Kundenverständnis lässt sich mit dieser
Technologie das Shopping-Erlebnis im Geschäft optimieren, mehr gewünschte Services anbieten und sogar zielgruppenspezifische Angebote entwickeln.
Tiefe Einblicke in die aktuelle und potenzielle Kundenstruktur
Location Intelligence liefert
raum- und zeitbezogene Besucher- und Passantendaten. Diese werden anonym und DSGVO-konform aus dem Bewegungsverhalten von Smartphone-Nutzern erfasst. Die gezielte Analyse dieser mobilen Daten gibt Lebensmittelhändlern Einblicke in die Kundenströme in den Einkaufsstraßen rund um den eigenen Standort: Wie viele Menschen befinden sich in unmittelbarer Nähe zum Geschäft, wie viele davon betreten den eigenen Laden oder gehen direkt zum Wettbewerb?
Über die Autorin
Dr. Annette Klett-Steinbauer ist eine von drei Partnern der Managementberatung thaltegos, die sich auf Data Science und Big Data spezialisiert hat und Teil der Plan.Net Gruppe ist. Die promovierte Betriebswirtin ist eine Expertin auf den Gebieten des Strategischen Marketings, Mobility Services sowie Location Intelligence.
Die gewonnenen Daten sorgen aber auch für Transparenz rund um typische Shopping Journeys: Wo gehen Kunden vor und nach dem Besuch im Supermarkt hin?
Daraus lassen sich
Erkenntnisse über Warenpotenziale gewinnen, die das eigene Sortiment derzeit noch nicht abdeckt. Kombinieren Kunden beispielsweise ihren Besuch mit dem nahegelegenen Denns- oder Alnatura-Markt, dann ist das Bio-Angebot zu erweitern. Da die Analysen
standortspezifisch und nach Ort und Zeit differenzierbar sind, können diese neuen und spezifischen Angebote und Waren im Blickfeld relevanter Kunden zur richtigen Tageszeit und am passenden Wochentag platziert werden. So verhindern Marktleiter das Shoppen bei der Konkurrenz.
Richtig spannend wird es, wenn soziodemografische und geografische Merkmale die mobilen Frequenzen anreichern. So lässt sich nicht nur herausfinden, wie viele Menschen sich wann und wo bewegen, sondern auch, wie alt sie und wo sie regional verortet sind, ob es sich dabei eher um Familien oder Singles handelt, wie es um ihre Kaufkraft steht und wo ihre Konsuminteressen liegen.
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Auch kleine Läden erkennen schnell neue Konsumtrend und können ihr Angebot an die neuen Kundenbedürfnisse anpassen.
Diese Merkmale geben letztlich auch Hinweise darauf, welche
potenziellen Kundentypen Marktleiter im Moment noch nicht – oder nicht mehr erreichen. Denn: Pandemiebedingt bleiben mitunter bisherige Stammkunden weg, weil sie anliegende Büros, Fitnessstudios oder Restaurants kaum mehr aufsuchen. Dafür könnte es aber potenzielle Neukunden mit anderen Kaufinteressen aus dem engeren Einzugsgebiet geben. Das gilt es herauszufinden, um Marketingaktivitäten und Warenangebote an den aktuellen Bedürfnissen von Bestandskunden und Neukunden auszurichten.
Kundenbindung durch überraschend richtige Angebote und Apps
Kombinieren Markleiter Location Intelligence-Ergebnisse mit internen Daten, erkennen sie auch, welche Kundentypen welche Warenkombinationen wann kaufen. Solche Informationen liefern sonst nur teure Kundenbindungsprogramme.
Dank der gewonnenen Erkenntnisse können Lebensmittelhändler bestimmte Warengruppen für entsprechende Kundentypen zum richtigen Zeitpunkt vorrätig halten und offensiv anbieten. Das klassische Beispiel hierfür sind
Windeln und Bier, da vermutlich oft Väter zum Windeln kaufen geschickt werden. War dieser exemplarische Rückschluss bislang eine Mutmaßung, lassen sich nun entsprechende Kundentypen datenbasiert identifizieren und entsprechend potentialseitig quantifizieren.
Auch Tante-Emma-Läden profitieren von aktuellen Daten zu ihren Kundenprofilen. Ihr Erfolgsfaktor basiert allein auf dem speziellen Wissen um ihre Kundenstruktur. Dies beruht in der Regel auf Bauchgefühl und jahrelangen Erfahrungen, die es jedoch von Zeit zu Zeit valide zu überprüfen gilt.
Eine Analyse der sich um den Laden bewegenden Personenprofile identifiziert beispielsweise den typischen Kunden für das
Mittagsgeschäft – früher der Büroangestellte mit Heißhunger auf schnelles Essen, pandemiebedingt heute eher der lokale Anwohner, der großen Wert auf regionale und gesunde Essenszutaten legt. So erkennen auch kleine Läden schnell
neue Konsumtrends, können ihr Angebot an die neuen Kundenbedürfnisse anpassen und ihre starke Kundenbindung aufrechterhalten.
Apropos Kundenbindung: Viele Lebensmittelmärkte bieten über Handy-Apps Zusatzleistungen wie Rezepte oder Click und Collect-Services an. Durch Location Intelligence lässt sich herausfinden, welcher Besucher- und Passanten-Typus welche dieser Lebensmittelstore-Apps nutzt oder ob er oder sie sogar mehrere im Einsatz hat.
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Händler denken für ihre Kunden mit.
Und auch, ob die eigene App nur zur Inspiration dient oder die App-Nutzer wirklich in den Laden kommen. Mithilfe dieser Erkenntnisse können Händler App-Inhalte zielführend überarbeiten, die eigene Kunden-App verbessern und so letztlich
Neukunden gewinnen.
Indem Marktleiter ihr Warenangebot und ihre Kommunikation ganz individuell auf spezifische Kundengruppen und die damit verbundenen Konsumbedürfnisse ausrichten, bieten sie Verbrauchern viel mehr als Bequemlichkeit: Händler denken für ihre Kunden mit und machen ihnen das richtige Angebot zur passenden Zeit.
Kontinuierlich angewandt, hält Location Intelligence die Lebensmittelhändler in Sachen neue Kundenbedürfnisse und Kundenprofile stetig auf dem Laufenden. Die Analyse intelligenter Daten sorgt so letztlich für ein einzigartiges Shopping-Erlebnis im Lebensmitteleinkauf und baut damit eine starke und langfristige Bindung zwischen Kunde und Händler auf. Das schafft Wettbewerbsvorteile gegenüber dem wachsenden Onlinehandel.
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